Mit Maximilan Brückner, dem Hauptdarsteller in Selbstgespräche, konnte ich in anderen Rollen nie richtig warm werden. Sein Spiel ist immer irgendwie dröge, scheint immer ausgedacht zu sein und wenig spontan; wirkliche Leidenschaft für seine Figuren vermisse ich bei ihm.
Es spricht für André Erkaus Film, dass Brückner hier (anders als etwa in Kirschblüten, in Allein oder als Tatort-Kommissar) nicht nervt. Dass man ihn nicht gerade als Freund haben möchte, liegt in seiner Figur begründet. So gibt der Darsteller seiner Rolle weitere Tiefe: er spielt Sascha, einen hoffnungsvollen jungen Mann mit großen Plänen, die sich natürlich nie erfüllen werden. Fernseh will er sein und ist doch nur Anheizer in einer sehr, sehr doofen Chartshow mit unglaublich lahmer Musik; und Vater will er auch werden, irgendwann, aber halt nicht gerade jetzt, wo die Freundin schwanger ist. Saschas Leben ist auf Übergang eingestellt, und tatsächlich, man kann mit ihm, mit Brückner, sympathisieren, wenn er einsieht, dass die Vagheit des Lebens zur Permanenz wurde.
Einer dieser Jobs, die sein Standby-Leben finanzieren sollen, ist die Arbeit im Callcenter er ist einer dieser Nervbolzen, die einen ungefragt anrufen und sich mit ihren blöden Verkaufsangeboten aufdrängen. Das ist übrigens nicht das geringste Verdienst des Films, dass er den Normalbürgern einen Blick auf diese andere Seite gestattet, wo die Feinde, die man am Telefon abzuwimmeln hat, plötzlich ein Gesicht bekommen. Erkau selbst hat sein Studium mit Callcenter-Verkaufstelefonaten finanziert, er weiß, wovon er erzählt, und vielleicht ist sein Debütfilm so was wie ein Exorzismus, ein Reinwaschen von vergangenen Sünden: Ich weiß nun mehr denn je, dass die Dinge, die wir tun, auf unser Leben abfärben mehr, als uns lieb ist, konstatiert er.
Im Callcenter versammeln sich jedenfalls die abgehalfterten Gestalten, der Proll, die Tränentrine, die alleinerziehende Mutter, der Verkaufsstreber, der motivationsfreudige Chef und Sascha, der Blender. Diesen Figuren verleiht Erkau Persönlichkeit, und die Darsteller füllen diese weiter aus: Antje Lidda als Marie, die so souverän ihren Teilzeit-Callagent-Job über die Runden bringt, August Zirner als im Inneren tief verzweifelter Chef, vor allem Johannes Allmayer als schüchternes Verkaufsgenie, der per Telefon auf den Weg der Liebe geführt wird und äußerst witzig sein kann, zu seiner eigenen Überraschung. Gegen sie fällt Brückner mit seiner Irgendwann-nur-nicht-jetzt-Figur darstellerisch ab; aber das macht wenig, ebenso wie die paar Längen, die sich Erkau geleistet hat.
Denn zumeist ist sein Film überaus flott, schlagfertig, ironisch, ohne zynisch zu sein. Ständiger Druck per Anzeigetafel im Telefoniergroßraumbüro, die jede Pinkelpause an den Pranger stellt; die Angst vor der Konkurrenz, die vielleicht besser verkaufen kann; die hohlen Motivationsfloskeln von der Krise als Chance, vom Lächeln, das man hören kann, vom Zwang zum positiven Denken: Der Leistungsstress einer Dienstleistungsgesellschaft, die lediglich auf den Verkauf aus ist, wird wunderbar und wunderbar witzig porträtiert, genau auf den Punkt gebracht.
Der Regisseur verfolgt mit zärtlicher Ironie sogenannte gescheiterte Existenzen, die sich nicht unterkriegen lassen, so urteilte die Jury des Saarbrückener Max Ophüls Preises, als sie Selbstgespräche auszeichnete und sie hat natürlich Unrecht. Denn dass die gescheiterten Existenzen nicht unter die Räder kommen, das liegt nicht an ihnen selbst. Dass am Ende der große kathartische Reigen der Selbsterkenntnis und Selbstannahme, das Aufrappeln nach der Krise kommt: das ist nur dem Drehbuch und der Regie zu danken, nicht eigener Leistung der Filmfiguren. Genausogut hätten sie allesamt völlig und vollends auf die Schnauze fallen können und diese Ambivalenz der ständigen potentiellen Niederlage, die Balance auf einem schmalen Grat, die die Figuren ständig verlieren könnten, um dann auf die falsche Seite zu kippen: das gibt dem Film den entscheidenden Impuls, der ihn über andere Generationenporträt-Debütfilme erhebt.
Fazit: In seinem Debütfilm blickt André Erkau auf die andere Seite des Telefonhörers und zeigt die Mitarbeiter eines Callcenters als verlorene Gestalten, die versuchen, mit dem Leben zurechtzukommen. Genau beobachtet, pointiert erzählt.